Im Rahmen des Internationalen Jahres der Quantenwissenschaft und -technologie 2025 spricht Wiebke Loseries, Mitarbeiterin der Fachdidaktik Physik an der Universität Rostock, in einem Interview mit der Rostocker Straßenzeitung STROHhalm über die Bedeutung der Quantenphysik für die heutige Wissenschaft und Gesellschaft. Sie gibt einen faszinierenden Einblick in die Verknüpfung von Physik und Kunst sowie die anstehenden Veranstaltungen, die das Institut für Physik im Jubiläumsjahr plant.
Im Interview erklärt Loseries, wie Quantenphänomene schwer zu fassende Konzepte sind, die oft mit künstlerischen Mitteln sichtbar gemacht werden müssen, um ein besseres Verständnis zu ermöglichen. Insbesondere der Weltquantentag am 14. April, an dem Kunst und Physik miteinander verschmelzen, wird ein Highlight der Feierlichkeiten in Rostock.
Artikel aus dem STROHhalm:
Es ist das Jahr 1925. Die Goldenen Zwanziger bringen Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und eine florierende Zeit für Kunst und Kultur. Auch die Wissenschaft geht neue Wege, denn gerade hat Max Planck die Quantenmechanik formuliert und so die Grundlage für unser heutiges physikalisches Verständnis der Natur gelegt. 100 Jahre später wirkt sich die Quantenmechanik auf alle Bereiche unserer Kultur, Wissenschaft, Technologie und Kunst aus.
Anlässlich des Jubiläums plant die Universität Rostock im internationalen Quantenjahr mehrere Veranstaltungen. Einen besonderen Platz nimmt dabei der Weltquantentag am 14. April ein. Physik und Kunst treffen an diesem Tag an drei Orten in der Hansestadt aufeinander. Vier Künstlerinnen und Künstler der Fotografie, Zeichnung, Installation, Konzeptkunst und Performance werden in direktem Dialog mit Physikern über ihre Werke und das Vorstellungsvermögen zur Physik sprechen.
Kunst als Sprachmodell für Wissenschaft
„Wir haben in Rostock einen verhältnismäßig großen Schwerpunkt in der Quantenphysik, sowohl in der Forschung als auch in der wissenschaftlichen Vermittlung“, erklärt Wiebke Loseries, die in der Fachdidaktik Physik das Lehr-Lern-Labor anleitet. Physik sei eine grundlegende Naturwissenschaft, doch oft nicht intuitiv. „Die Natur führt uns an der Nase herum und wir finden häufig keine Sprache dafür“, sagt die Didaktikerin. Auch bei den Quanten stößt die Physik als beschreibende Wissenschaft immer wieder an ihre Grenzen.
So können in der Quantenphysik Teilchen scheinbar an zwei Orten gleichzeitig sein und Quantenobjekte gleichzeitig mehrere Zustände einnehmen. Ein ähnlicher Effekt setzt ein, wenn wir einen Wortwitz verstehen. Auch da kommt es zu einer gleichzeitigen Überlagerung mehrerer Wortbedeutungen.
Ein weiteres Phänomen ist der Tunneleffekt. Mit ihm ist es Quantenobjekten möglich, durch scheinbar unüberwindliche Barrieren zu „tunneln“. Der Effekt ist astronomisch relevant und sorgt dafür, dass sich Atomkerne, die sich wegen ihrer gleichen Ladung normalerweise abstoßen, in Sternen so nahekommen, dass sie verschmelzen können. Ohne dieses Phänomen gäbe es kein Sonnenlicht – und kein Leben auf der Erde.
Diese und andere quantenphysikalische Prozesse sind nicht intuitiv und sprachlich schwer zu greifen. Um dieser Sprachlosigkeit etwas entgegenzusetzen, verfolgt die Universität einen künstlerischen Ansatz, um die Phänomene der Quantenphysik sichtbar zu machen. Mithilfe der Kunst soll es gelingen, andere Perspektiven einzunehmen und neue Horizonte in der Wahrnehmung zu vermitteln. „Kunst und Wissenschaft eint, dass beide in einem nicht sichtbaren Bereich agieren und dort Entscheidungen treffen müssen“, so Loseries. Es gehe stets darum, den nächsten Schritt zu erspüren.
In Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Rostock begleitet die Universität bereits seit 2018 ein Langzeitprojekt, in dem Physiker mit Künstlerinnen und Künstlern in einem jährlich stattfindenden Symposium miteinander arbeiten. Dabei beschäftigen sie sich intensiv mit Quanten und entwickeln künstlerische Darstellungen.
Quanten sind wie krasses Licht
Was ist nun dieses Quant, das seit Jahrzehnten die Physik und mittlerweile auch unsere tägliche technologische Umgebung bestimmt? „Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten“, sagt Loseries. Die grundlegende Erkenntnis der Quantenphysik beschreibt, dass Energie nicht gleichmäßig fließt, sondern gebündelt – in Stücken (Quanten) als voneinander getrennte Einheiten. Aus wissenschaftlicher Sicht mag das ungenau klingen, aber es ist anschaulich und darum gehe es am Weltquantentag, so Loseries.
Ziel ist es, Physik und Wissenschaft ins Gespräch zu bringen, denn „speziell zur Quantenphysik gibt es wenig Wissen in der Bevölkerung“, erklärt Loseries. Das möchte sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Physik im Jahr des Quants ändern. „Fast alle Technologie, die uns heute umgibt, beruht auf quantenphysikalischen Prozessen“, sagt sie. Sowohl das Speichern von Daten auf einem USB-Stick als auch die Lasertechnologie, die an Supermarktkassen beim Scannen von Produkten genutzt wird, beruhen auf diesen Prinzipien.
Am 14. April treffen zum Weltquantentag Physik und Kunst aufeinander. Los geht es 17 Uhr in der Universitätskirche Rostock. Um 19 Uhr wird eine Ausstellung im Botanischen Garten gezeigt. Unter dem Motto Citizen Science wird unter anderem untersucht, welche Auswirkungen verschiedenfarbiges Licht auf Pflanzen hat. Um 20:15 Uhr öffnet das Institut für Physik die Türen. Zwischen allen Standorten verkehren Shuttle-Busse der RSAG.
Quelle: M. Hübbe, STROHhalm 317, April 2025, S. 16