Licht-Materie-Wechselwirkung an Grenzflächen

DFG Sonderforschungsbereich 1477

Die Aufgabe des SFB 1477 LiMatI (engl. Light-Matter Interactions at Interfaces) ist die Erforschung von Licht-Materie-Wechselwirkungen an Grenzflächen unter Verwendung starker ultraschneller Felder und spezieller Targets. Wir untersuchen, wie die geometrische, elektronische und topologische Struktur von Licht-Materie-Systemen mit Grenzflächen die Subzyklen-Emission von Strahlung und Teilchen in starken Feldern beeinflusst und wie spezifische Anregungen und ihre Transportdynamik durch Grenzflächen mit maßgeschneiderten optischen und elektronischen Eigenschaften kontrolliert werden können. Jüngste Fortschritte in der Starkfeld-Laserphysik, der integrierten Photonik und der Physik der kondensierten Materie ermöglichen es, die Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie an Oberflächen und Grenzflächen über die bisherigen Grenzen hinaus zu erweitern, was die Grundlage für die anspruchsvollen wissenschaftlichen Projekte des SFB LiMatI bildet.

Mission und zentrale Ziele des SFB LiMatI

Starke ultraschnelle Felder, wie intensive Laserpulse mit wenigen Zyklen oder mehrfarbige Laserpulse, treiben den Ladungs- und Energiefluss in Materie auf der Attosekunden-Zeitskala an. Sie führen zu nichtlinearer Ionisierung und nichtlinearen optischen Antworten, wie beispielsweise der Erzeugung hoher Harmonischer. Unter "dedizierten Targets" verstehen wir Licht-Materie-Landschaften, in denen der physikalische Effekt oder die Eigenschaft, die von Interesse ist, am besten verstanden und analysiert werden kann. Beispiele hierfür sind 2D-Verbundmaterialien (zur Untersuchung langlebiger Exzitonen), Cluster auf Oberflächen (zur Untersuchung gerichteter Elektronenemission), Nanospitzen (zur Erregung extremer nahfeldverstärkter Photoemission), Wellenleiterschaltungen (zur Untersuchung der topologischen Photonik), molekulare Filme (zur Untersuchung der Erzeugung hoher Harmonischer in geordneten und ungeordneten Systemen), Nanokristalle (zur Untersuchung der Exzitonen-Plasmonen-Kopplung), molekulare Netzwerke (zur Untersuchung der Exzitonenmigration) und einzelne Moleküle, die in 2D-Materialien eingebettet sind (zur Untersuchung von Einzelmolekül-Emittern für Sensorzwecke). Der Umfang und die wissenschaftlichen Fragen, die in der ersten Förderperiode des SFB 1477 LiMatI untersucht werden sollen, orientieren sich an den folgenden vier physikalischen Hauptszenarien.

Das erste Szenario addressiert die extrem nichtlineare Optik an Grenzflächen. Die Hauptziele sind die Erzeugung und kontrollierte Veränderung maßgeschneiderter Grenzflächen mit ultrakurzen und intensiven Lichtwellenformen, die Charakterisierung ihrer optischen Starkfeldreaktion und ihrer geometrischen, elektronischen und topologischen Merkmale sowie die Entwicklung geeigneter theoretischer Modelle. Die untersuchten Systeme sind organische Molekularfilme auf Substraten, freistehende 2D-Materialien und laserinduzierte Grenzflächen in und nahe der Oberfläche von Dielektrika.

Das zweite Szenario befasst sich mit der kontrollierten Teilchenemission von Grenzflächen und zielt darauf ab, die plasmonische Nahfeldverstärkung an freien und abgeschiedenen Nanopartikeln und an Nanospitzen zu nutzen, um die nichtlineare Photoemission von diesen Strukturen zu kontrollieren. Wir werden die Winkel-, Energie- und Laserwellenformabhängigkeit der Elektronenemission von einzelnen abgeschiedenen Nanostrukturen und Nanospitzen sowie die Selektivität der nichtlinearen Photoelektronen- oder Ionenemission von Aerosolen in der Gasphase untersuchen.

Das dritte Szenario betrifft Wellenleiterschaltungen an Grenzflächen, die durch direktes Schreiben mit Femtosekundenlasern, chemische Synthese oder physikalische Abscheidungsmethoden erzeugt werden sollen. Das zentrale Ziel ist die Realisierung künstlicher Licht-Materie-Systeme mit gezielten linearen und nichtlinearen optischen Eigenschaften, um Licht zu formen, zu verstärken und zu leiten. Die Wellenleiterschaltungen werden für die Nachahmung und Erforschung topologischer Materialien sowie für die empfindliche Untersuchung exzitonischer Zustände verwendet.

Das vierte Szenario beinhaltet spezielle zweidimensionalen Hetero- und molekularen Nanostrukturen und untersucht deren Auswirkungen auf den exzitonenbasierten Energie- und Informationstransport sowie auf die Sensorik. Wir werden theoretische Konzepte zur Beschreibung der schnittstellenvermittelten Quasiteilchen entwickeln und fortschrittliche Herstellungsverfahren nutzen, um verschiedene Nanomaterialien zu funktionalen Heterostrukturen zu kombinieren, auf die in Nahfeld-basierten Anregungsschemata zugegriffen werden kann.

Struktur des SFB LiMatI

Die wissenschaftliche Arbeit zu den Forschungsfragen innerhalb des SFB LiMatI wird in 13 miteinander verknüpften Forschungsprojekten durchgeführt, die in den zwei Projektbereichen S (für "Starke Felder und Attosekundenphysik") und W (für "Schwache Felder und Quasiteilchen") organisiert sind, siehe orange und blau schattierte Bereiche in der Abbildung.

Der Projektbereich S befasst sich mit starken Feldern und der Attosekundenphysik. Er umfasst die Szenarien der extremen nichtlinearen Optik und der kontrollierten Teilchenemission von Grenzflächen. Diese beiden Szenarien sind durch die gemeinsame Physik der lichtgetriebenen, nicht-perturbativen Elektronendynamik und die Suche nach der Lösung der Mechanismen der Starkfeldreaktion eng miteinander verknüpft. Während intensives Laserlicht eine Voraussetzung für alle Projekte im Bereich S ist, werden die Arbeiten im Projektbereich W mit relativ schwachen Lasern durchgeführt und befassen sich hauptsächlich mit der Erzeugung und dem Transport von Quasiteilchen entlang von Grenzflächen in speziellen Targets, mit Quantensensorik unter Verwendung eingebetteter Moleküle an Grenzflächen und mit allgemeinen topologischen Aspekten der Licht-Materie-Wechselwirkung. Diese Szenarien sind über die grenzflächenvermittelte Dynamik von Quasiteilchen und Licht und das Ziel, funktionale Licht-Materie-Landschaften zu entwerfen und aktiv zu steuern, miteinander verbunden.

Um die konzertierten Forschungsaktivitäten zu fördern und zu steuern, werden gemeinsame Aktivitäten wie die Verbreitung der erzielten Ergebnisse, der wissenschaftliche Austausch mit internen und externen Partnern, die Ausbildung von Studierenden, ein nachhaltiges und fachspezifisches Forschungsdatenmanagement sowie die Vermittlung an die Öffentlichkeit in vier Unterstützungsprojekten organisiert (siehe graue Kästen in der Abbildung).